kam der damalige Landesjugendpfarrer der Bremischen Evangelischen Landeskirche, Werner Brölsch, auf der Suche nach einem geeigneten Platz für Freizeiten und Sommerlager durch die Vermittlung des englischen Militärs an Zelte und Wirtschaftsbaracken auf der Nordseeinsel Langeoog. 1947 konnte so im Dünental bei der Kinderkur die erste Abiturientenfreizeit nach dem Krieg stattfinden.
70 Jahre Haus Meedland
30 Jahre “Mai-Kreis”
Der Bremer Landesjugendpastor Werner Brölsch und Initiator des Hauses Meedland reiste viel. Dies animierte eine kleine Gruppe dazu, Reisen zu organisieren. Sie startete damit 1987 bei einem Pfingst-Treffen aus Anlaß des 40-jährigen Bestehens von Haus Meedland, zu dem 250 Teilnehmer kamen.
1989 führte die erste Reise nach Ägypten und fortan traf sich diese Gruppe alljährlich zu Pfingsten, um sich auszutauschen und neue Reisen zu organisieren – der “Mai-Kreis” war geboren.
Pfingsten 2017 fand das letzte Treffen statt.
Da einige Teilnehmer bereits seit der Gründung 1947 regelmäßig Haus Meedland besuchen, haben wir dies zum Anlass genommen, ihre Gesichter erzählen zu lassen (bitte anklicken):
Nicht nur die Gesichter selbst erzählen Geschichte, beim Fotografieren wurden auch Geschichten erzählt:
Während der zentralen Veranstaltung 1987 aus Anlaß des 40-jährigen Bestehens von Haus Meedland wurde die Tagungskasse geklaut. Der Polizist führte eine Befragung durch, dabei wurde er mit Titeln wie Superintentent u.a. konfrontiert. Er fragte dann in die Runde der Anwesenden: “Gibt es hier auch so normale Leute wie mich?”
Die erste Köchin war Frau Dagmar Schneider, sie hatte große Mühe, die hungrigen Jugendlichen satt zu bekommen. Sie musste nach den Mahlzeiten viele Schmalzbrote nachliefern. Intensiv in Erinnerung blieben auch die zwangsweisen Einnahmen von Lebertran. Und so manches Mal knirschte Sand zwischen den Zähnen, denn die Dünen waren noch nicht so stark bewachsen, so dass bei Sturm der Sand durch das ganze Dorf wehte.
Die Jugendlichen der ersten Jahre sind später als Studenten wiedergekommen, das waren dann Arbeitsfreizeiten, Steine räumen, Unkraut entfernen usw.
Oder sie waren Gruppenleiter. Als einer Gruppenleiterin einmal zwei Teilnehmerinnen beim Gottesdienst fehlten, ergab die Nachforschung, dass sie in der Givt-Bude waren, um an der “Miss Langeoog Wahl” teilzunehmen.
1947 fanden die Freizeiten noch hauptsächlich in Zelten statt, sie wurden in Bremen aus amerikanischen Militärbeständen organisiert und standen auf dem Gelände von Haus Meedland, auf dem Flugplatz, in den Dünen, hinter dem Bremer Haus (CVJM, jetzt Rossmann). In jedem Zelt standen zehn Feldbetten. Die Jungs hatten riesigen Spaß daran, die Zelte mit Quallen zu bewerfen.
1953 kamen auch Ausländer zum Haus Meedland. Die Schweizer hatten jeden Morgen ihre Nationalhymne gesungen und uns mit dem Finger gedroht: “Wenn ihr jetzt nicht die Demokratie lernt …”. Die Engländer haben ihren Teller nicht leer gegessen.
Auch Gruppen aus der DDR waren gekommen. In Erinnerung blieb eine schwere Fußverletzung, die sich ein Teilnehmer zuzog, als er versuchte, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen.
Damals durfte man sich noch frei in den Dünen bewegen, das nutzten natürlich auch die Jungen und Mädchen für “Entdeckungs”-Touren. Als sich einmal ein Junge und ein Mädchen abends in den Dünen “erwischen” ließen, wurden die beiden morgens zum Pastor zitiert. Vor dem Hintergrund, dass das Verhältnis Jungens/Mädchen 1:4 war, machte er diese Ansage: “Die Jungs sind für alle da!” – seit dem ein geflügeltes Wort im Haus Meedland.
Impressionen
Chronologie
Wer die Toten vergisst …
… kann die Lebenden nicht lieben!
Seit Juni 1947 gehört das Meedland-Gelände der Bremischen Evangelischen Kirche. Damals standen einige Holzbaracken auf dem Grundstück, die Zelte der dänischen Besatzungstruppen waren gerade abgebaut, der Auf- und Ausbau zur heutigen Freizeit- und Tagungsstätte begann.
Aber die Vorgeschichte ist trübe: im August 1941 wurden sowjetische Kriegsgefangene auf die Insel gebracht, um an dem Luftwaffenstützpunkt zu bauen sowie andere Arbeiten wie Straßenbau u.ä. zu leisten. Sie waren auf dem Meedland im Bereich zwischen dem heutigen Vogtpad und dem Polderweg entlang der Gartenstraße untergebracht. Unterkunft, Verpflegung und medizinische Betreuung waren, wie in allen Lagern, speziell für die sowjetischen Gefangenen äußerst schlecht und sie waren unmenschlicher Behandlung unterworfen.
Innerhalb kurzer Zeit starben mehr als ein Drittel von ihnen – an Krankheiten, aber noch mehr durch Hunger, härteste Arbeit und den Terror der Wachmannschaften.
Die Nazipropaganda hatte aus den Sowjetsoldaten “Untermenschen” gemacht, die es zu vernichten galt. Genau wie in den anderen Lagern wurde auch in Langeoog brutal mit ihnen umgegangen. Lediglich von einem der Unglücklichen, Nikolaj Kurilow, weiß man mehr als Namen und Todesdatum. Mehr als 40 Jahre dauerte es, bis seine Witwe durch verschiedene glückliche Umstände erfuhr, wo ihr Mann gestorben und begraben war.
Hinter dem Friedhof für die Langeooger und den Gräbern für die Baltendeutschen liegt der sogenannte “Russenfriedhof”, früher versteckt, nur durch einen schmalen Weg zu erreichen, heute über ein Hinweisschild und einen breiten Zugang leicht zu finden. 113 Gefangene bekamen hier ihre letzte Ruhestätte – verscharrt in einem Massengrab, fremd und vergessen. Sechs Steinsäulen tragen die Namen der Toten. An einer der Säulen ist das Bild von Nikolaj Kurilow befestigt. Seine Frau brachte es mit, als sie in den achtziger Jahren zum ersten Mal das Grab ihres Mannes besuchen konnte.
Die Bremische Evangelische Kirche und Haus Meedland stellen sich der Verantwortung, die ihnen die Vergangenheit, das Gelände, auferlegt hat. So wurde eine Dokumentation erstellt, die sich mit der Geschichte des Lagers befasst. Sie heißt “Todesursache: allgemeine Körperschwäche” und ist im Haus Meedland sowie über den Buchhandel erhältlich.
Darüber hinaus informiert die “Stiftung niedersächsische Gedenkstätten” in Celle unter anderen über die sowjetischen Kriegsgefangenen. Von den etwa 5 Millionen gefangenen Rotarmisten starben mehr als drei Millionen in deutschen Lagern!
Auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende ist dieses Thema ein Tabu. Aber nur, wenn dieses Tabu durchbrochen wird, wenn die Erinnerung an die furchtbaren Geschehnisse wach gehalten wird, ist Zukunft möglich, denn:
Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung!